Juzi Paradise Skulpturenpark | Guilin/China 2000
Um eine kulturelle Lücke im heutigen China zu schließen, wurde der internationale Skulpturenpark ins Leben gerufen. Finanziert wird das Ganze von einem ausgewanderten Chinesen, Mr. Rhy-Chang Tsao, der nach Korea gegangen ist und dort Karriere gemacht hat.
Chinareisende sind primär Kulturreisende. Sie schauen sich die Goldene Stadt an, die Chinesische Mauer und die Tönerne Armee. Aber während der Kulturrevolution wurde fast das gesamte kulturelle Leben in China zerstört. Es wurden sogar die Verzierungen von den Häusern heruntergerissen, Bücher verbrannt, kritische Lehrer verhaftet und gefoltert – deswegen gibt es kaum noch Kulturgüter in China. Aber etwas wirklich Großartiges konnte auch die Kulturrevolution nicht auslöschen: die Landschaft von Guilin. Dieses Gebiet ist nicht bloß Landschaft, sondern vielmehr ein Naturereignis: Es überwältigt dich, du saugst es ein und vergisst es nie wieder.
Man kennt das Szenario von alten chinesischen Holzschnitten und Aquarellen, auf denen sich grünlich-bläuliche Berge vor- und hintereinander schieben, aus der Ebene herauswachsen und wieder abfallen. In Guilin ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch, dadurch schimmern die Berge in den unglaublichsten Blau- und Grünschattierungen.
Dieses Naturschauspiel hat Hartwig Mülleitner in China in seine Arbeit aufgenommen. Die Skulptur „Balance“ spiegelt einerseits die fantastische Landschaft wider, andererseits ist sie aber auch eine Spiegelung der Lebenssituation, die ihn umgibt: Natur und Mensch arbeiten Hand in Hand. Der Bauer greift nicht gewaltsam in das von der Natur Gegebene ein, sondern nimmt an, was die Natur ihm bietet. So können Mensch und Land in Symbiose leben, halten sich die Waage, haben einen gehbaren Weg des Gebens und des Nehmens gefunden – halten die Balance.
Die Granitskulptur besteht aus drei quaderförmigen Traversen und drei Kugeln. Sie wiegt 140 Tonnen. Jede Traverse befindet sich sowohl einmal unterhalb als auch einmal oberhalb einer Kugel. Wenn man innerhalb der Skulptur steht, hat man das Gefühl, dass sie den Boden nur an drei Punkten berührt, weil die Kanten, auf denen sie steht, dem Betrachter zugewandt sind. Der Künstler beschreibt das unglaubliche Gefühl, wenn man in der Skulptur steht: „Durch die Schräglage der elf Meter langen Traversen hast du als ‚Benützer‘ das Gefühl, dass die ganze Skulptur zu schweben anfängt und beginnt, sich scheinbar langsam um dich zu drehen. Du hast ein ganz eigenartiges Gefühl im Bauchbereich. Der Granit glitzert im Sonnenlicht. Einerseits spürst du das Gewicht der Masse, andererseits fühlst du dich schwerelos enthoben. Es berührt dich, du empfindest die um dich vermeintlich schwebende Masse am ganzen Körper. Aber es ist kein beklemmendes Gefühl, sondern ein wohliges, da die Skulptur groß ist und der Himmel über dir frei und blau.“
Für den Betrachter ist die Skulptur wunderlich, dies beginnt schon mit der Frage: „Wo hat der Künstler angefangen, dieses mächtige Gefüge zusammenzusetzen?“ Mülleitner spielt mit dem Gefühl der Unmöglichkeit, dies resultiert aus seiner Empfindung: „Es ist genau dieser Eindruck der Unwirklichkeit, wie in einem Traum, wenn du vor diesen Bergen stehst. Hier im Tal würdest du dich keine Sekunde wundern, wenn da plötzlich ein Saurier von links käme …“